Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin
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Vegetative State: A Paradigmatic Problem of Modern Society

Ethical, legal, social and medical perspectives on chronic disorders of consciousness

21.03.2011 – 26.03.2011

Entscheidungen für Patienten im Wachkoma zu treffen ist eine höchst komplexe Aufgabe, die einen interdisziplinären Diskurs erfordert, der verschiedene Perspektiven zusammenbringt.

Eine Klausurwoche um den Diskurs zwischen Nachwuchswissenschaftlern und Fachkräften im Gesundheitswesen zu fördern, fand vom 21. bis 26. März in München statt. Sechzehn ausgewählte TeilnehmerInnen aus verschiedenen Professionen und unterschiedlichen Ländern präsentierten ihre wissenschaftlichen Arbeiten oder erzählten aus der Praxis mit Patienten und Familien. Sie diskutierten die ethischen Herausforderungen, wenn Entscheidungen über Behandlungsmaßnahmen mit und für die Patienten getroffen werden. Die Klausurwoche wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.

Die Teilnehmer wurden gebeten, ihre Vorträge auszuformulieren. Zusammen mit Beiträgen weiterer Experten im Bereich Ethik und Bewusstsseinsstörungen werden sie in Form eines Buches noch in diesem Jahr veröffentlicht. Wir werden Sie über die Details dieser Publikation so bald wie möglich informieren.

Thema

Der Fortschritt der modernen Medizin ermöglicht es, dass immer mehr Menschen nach lebensgefährlichen Hirnverletzungen, Schlaganfällen oder Herzstillständen gerettet werden können. Ein Teil von ihnen kommt jedoch, weil das Großhirn so stark geschädigt ist, nie wieder zu Bewusstsein. Wenn diese Menschen im so genannten Wachkoma verbleiben (engl. vegetative state), haben sie intakte Hirnstammfunktionen, atmen selbständig, haben tagsüber meist die Augen geöffnet, zeigen aber keinerlei zielgerichtete Reaktion oder selbständige Kontaktaufnahme mit ihrer Umwelt. Eine verlässliche Kommunikation mit den Wachkomapatienten ist nicht möglich. Patienten können jahrelang im Wachkoma leben, wenn sie durch künstliche Ernährung und Flüssigkeitsgabe am Leben erhalten werden. Das Wachkoma stellt die Gesellschaft vor große ethische, rechtliche und soziale Fragen. Diese wurden bisher vor allem an kontrovers diskutierten Patientenschicksalen deutlich, etwa 2005 bei Terry Schiavo in den USA oder 2009 bei Eluana Englaro in Italien. Eine Verschärfung der Kontroversen ergibt sich durch Ergebnisse aktueller Hirnforschung, die traditionelle Lehrmeinungen über das Wachkoma erschüttern. So hat der Neurowissenschaftler Monti mit seinen Kollegen jüngst Experimente veröffentlicht, bei denen ein vermeintlicher Wachkomapatient mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie einfache Fragen beantworten konnte, obwohl er verbal und verhaltensmäßig zu keiner Kommunikation im Stande gewesen sei (Monti et al. 2010).

Was ist das Wachkoma, wie wird es erlebt und wie können und sollen Entscheidungen zwischen Tod und Leben für sie getroffen werden? Diesen Fragen möchten wir während der Klausurwoche („International Neuroethics Workshop“) nachgehen. 16 Nachwuchswissenschaftler und erfahrene Fachkräfte aus Europa und sogar darüber hinaus wurden eingeladen, ihre Arbeiten gegenseitig vorzustellen und die damit verbundenen medizinischen, ethischen, rechtlichen und sozialen Fragestellungen zu diskutieren. Die Klausurwoche hat auch zum Ziel, die Fähigkeiten der Teilnehmer für eine interdisziplinäre Zusammenarbeit, internationalen Austausch und öffentliche Präsentation weiterzuentwickeln.

Bereichert wird die Klausurwoche durch einen öffentlichen Vortrag des Philosophen und Neuroethiker, Eric Racine aus Montréal, Kanada am Münchner Kompetenzzentrum Ethik im Hauptgebäude der der LMU. Er wird einen in seinem englischsprachigen Vortrag einen Überblick über neuroethische Fragestellungen im Bereich der Bewusstseinsstörungen geben und eigene Forschungsarbeiten in diesem Bereich vorstellen.

Die Ergebnisse der Klausurwoche werden in einer Podiumsdiskussion im Rahmen einer Film-Matinée vorgestellt und anschließend veröffentlicht. Gefördert wird diese Klausurwoche vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen seines ELSA-Förderschwerpunktes.

Die Klausurwoche wird veranstaltet von den Mitarbeitern des Forschungsprojektes „Neuroethik chronischer Bewusstseinsstörungen“ am Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin der LMU in Kooperation mit dem Interdisziplinären Zentrum für Palliativmedizin am Klinikum Großhadern.

Die Klausurwoche wird geleitet von Ralf Jox und Katja Kühlmeyer. Bei Fragen nehmen Sie bitte Kontakt auf über wachkoma@med.uni-muenchen.de.