Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin
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Die Evolution des Kosmopolitismus. Politische und anthropologische Perspektiven

Leitung: Dr. Lorenzo Del Savio
Förderung: DFG

Internationales Recht und internationale Governance, Migration und Handel verbinden einen immer
größeren Teil der Menschheit. Diese Ausweitung globaler Kooperation bringt sowohl Chancen
menschlicher Entwicklung als auch neue Herausforderungen hervor. Das kosmopolitische Projekt
globaler Kooperation hat zuletzt in Form von erstarktem Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit,
Protektionismus und restriktiver Migrationspolitik verschiedene Rückschläge erlitten. Zweifler am
kosmopolitischen Projekt behaupten, dass diese Rückschläge nicht nur Stolpersteine auf dem
ansonsten linearen Weg zu umfassender globaler Kooperation darstellen, sondern Symptome einer
tiefer liegenden Problematik sind: Sie gehen davon aus, dass das kosmopolitische Projekt die
menschlichen Anlagen zu friedlicher Kooperation, die lokal begrenzt und gruppenspezifisch sind,
übersteigt. Die Verhaltensforschung suggeriert zwar, dass menschliches Verhalten tribalisch
angelegt ist, d.h. Out-groups tendenziell diskriminiert – dennoch: Schränkt diese dunkle Seite
menschlichen Sozialverhaltens das kosmopolitische Projekt tatsächlich ein? Der kritische Teil
dieser Untersuchung zielt darauf ab, die skeptische Herausforderung auszuräumen, indem
Folgebeziehungen zwischen Verhaltensforschung, menschlicher Evolution und der Zukunft
globaler Kooperation epistemologisch analysiert werden. Die erste Hauptthese lautet: Obwohl
tribalische Anlagen existieren, schränken sie das kosmopolitische Projekt nicht notwendigerweise
ein. Ihre Existenz bedeutet jedoch, dass ausgedehnte Kooperation einer Erklärung bedarf. Vor allem
Studien in der kulturellen Evolutionsforschung haben zuletzt den Übergang von tribalischen
Gruppen zu ausgedehnteren Gesellschaften untersucht. Der inhaltliche Schwerpunkt des
konstruktiven Teiles dieser Untersuchung sind die Folgen wissenschaftlicher Theorien
menschlichen Sozialverhaltens, welche kulturelle Innovation berücksichtigen, für den
Kosmopolitismus. Die zweite Hauptthese ist, dass neuere Erkenntnisse über die Evolution sozialen
Verhaltens in ausgedehnten Gesellschaften eine kosmopolitische Philosophie der Politik mit
realistischen Strategien der Umsetzung vervollständigen können, in Übereinstimmung mit
“sentimentalen” Versionen des Kosmopolitismus, die die Rolle politischer Emotionen betonen.