Psychiatrische Versorgung von Menschen mit psychotischen Erkrankungen und fehlender Krankheitseinsicht: Probleme und Lösungsansätze
Interdisziplinäres Symposium für die interessierte Öffentlichkeit
22.09.2022
Donnerstag, 22. September 2022, 10:00 – 16:00 Uhr
Etwa 2-3% der Bevölkerung leiden an psychotischen Erkrankungen, die einen schweren Einschnitt im Lebensverlauf von Betroffenen und ihren Angehörigen bedeuten. Psychotische Erkrankungen haben meist einen rezidivierenden Verlauf, bei dem akute Krisen auftreten können. Dabei kann es zu Situationen kommen, in denen eine psychiatrische Behandlung zwar notwendig erscheint, aber Betroffene jegliche Form der Behandlung ablehnen. Eine Ursache für eine solche Ablehnung kann fehlende Krankheitseinsicht (das fehlende Wissen darüber bzw. die fehlende Überzeugung, eine Krankheit zu haben) sein. Psychiatrische Maßnahmen gegen den Willen eines Menschen sind mit Eingriffen in seine Grundrechte verbunden und erfordern eine besondere Rechtfertigung. Eine Unterbringung gegen den Willen der betroffenen Person ist rechtlich nur möglich, wenn die betroffene Person auf Grund einer psychischen Erkrankung sich selbst, Rechtsgüter anderer oder das Allgemeinwohl erheblich gefährdet und ihre Einsichts- und Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt ist. Behandlungsmaßnahmen gegen den natürlichen Willen der betroffenen Person sind nur unter eng begrenzten Bedingungen zulässig. Ob eine Zwangsbehandlung erfolgen soll, ist eine komplexe ethische Entscheidung, an der Betroffene, Angehörige, Betreuer:innen, Psychiater:innen und Jurist:innen in unterschiedlichem Maße beteiligt sein können.
Wie aktuell mit diesen Entscheidungen umgegangen wird, hat auf den Alltag von Menschen mit psychotischen Erkrankungen und ihre Familien gravierende Auswirkungen, die in diesem Symposium näher beleuchtet werden sollen. Wie sieht der Krankheitsverlauf bei den betroffenen Menschen aus? Welche Perspektiven haben Angehörige und Betroffene in Bezug auf den Umgang mit psychotischen Krankheitsphasen? Welche ethischen Normen und Werte sind in der Behandlungsentscheidung für psychisch kranke Patienten maßgeblich? Wie ist die aktuelle rechtliche Regelung in Deutschland zur Zwangsbehandlung und wie wird sie von Juristen und Klinikern bewertet? Welche Lösungsvorschläge gibt es, um mit aktuellen Problemen besser umzugehen?
In dem interdisziplinären Symposium werden Problemlagen aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet und verschiedene denkbare Lösungsansätze diskutiert.
Veranstalter
- Landesverband Bayern der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen e.V. (Alexandra Chuonyo, Cordula Falk, Karl Heinz Möhrmann)
- Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, LMU Klinikum (Prof. Dr. Oliver Pogarell)
- Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin, LMU (Dr. Katja Kühlmeyer)
Vorläufiges Programm
10:00 – 10:15 Uhr Begrüßung durch die Veranstalter
1. Problemaufriss
(Moderation: Prof. Dr. Josef Bäuml / Karl Heinz Möhrmann)
10:15 – 10:30 Uhr Fallbeschreibung
„Mein Bruder, im Wahn unerreichbar“
Sarah Bioly, München
10:30 – 11:00 Uhr Affektive und nicht affektive Psychosen: Krankheitsbilder und Verläufe
Priv. Doz. Dr. Florian Seemüller, Garmisch-Partenkirchen
11.00 – 11:15 Uhr Perspektive der Betroffenen
Martina Heland-Gräf, BayPE e.V.
11:15 – 11:30 Uhr Perspektive der Angehörigen
Barbara Schmitt, ApK Bayern e.V.
2. Medizinethische und rechtliche Einordnung
(Moderation: Dr. Katja Kühlmeyer/ Prof. Dr. Oliver Pogarell)
11:30 – 12:00 Uhr Ethische Voraussetzungen von akut-psychiatrischen Behandlungsentscheidungen
Prof. Dr. Georg Marckmann, München
12:00 – 12:30 Uhr Rechtliche Rahmenbedingungen für psychiatrische Behandlungsentscheidungen
Dr. Dorothea Gaudernack, München
12:30 – 13:30 Uhr Mittagspause
3. Auswirkungen der rechtlichen Rahmenbedingungen auf die akutpsychiatrische
Behandlung
(Moderation: Prof. Dr. Josef Bäuml / Karl Heinz Möhrmann)
13:30 – 14:00 Uhr Recht auf Krankheit? Konsequenzen, Grenzen und Missverständnisse
Prof. Dr. Tilmann Steinert, Ravensburg
4. Aktuelle Vorschläge zum Umgang mit der Problematik
(Moderation: Dr. Katja Kühlmeyer/ Prof. Dr. Pogarell)
14:00 – 14:20 Uhr Quadratur des Kreises: Die Suche nach einer Problemlösung
Prof. Dr. Josef Bäuml, München
14:20 – 14:40 Uhr Entscheidungsassistenz bei schizophrenen Erkrankungen
Prof. Dr. Johannes Hamann, München
14:40 – 15:00 Uhr Vorausplanung von psychiatrischen Behandlungsentscheidungen
Dr. Raoul Borbé, Ravensburg
15:00 – 15:45 Uhr Podiumsdiskussion mit Einbezug des Publikums
15:45 – 16:00 Uhr Ausblick und Abschluss
Referent:innen und Moderator:innen
Prof. Dr. Josef Bäuml
Ehemaliger Leitender Oberarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Klinikum rechts der Isar der TU München
Sarah Bioly
Freie Journalistin
Dr. Raoul Borbé
Leiter des Geschäftsbereichs Gemeindepsychiatrie, Ravensburg und die Psychiatrische Institutsambulanz der Klinik I für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Ulm am Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg
Dr. Dorothea Gaudernack
Bayerisches Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales nach München, Leitung des Referats II 5 (Maßregelvollzug und öffentlich-rechtliche Unterbringung)
Prof. Dr. Johannes Hamann
Leitender Oberarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Klinikum rechts der Isar der TU München
Martina Heland-Gräf
1. Vorsitzende des Bayerischen Landesverbands Psychiatrie-Erfahrener e.V.
Dr. Katja Kühlmeyer
Akademische Rätin am Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin, LMU München
Prof. Dr. Georg Marckmann
Vorstand des Instituts für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin, LMU München und stellvertr. Vorsitzender des Klinischen Ethikkomitees, LMU Klinikum München
Karl Heinz Möhrmann
1. Vorsitzender Landesverband Bayern der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen e. V. (ApK Bayern)
Prof. Dr. Oliver Pogarell
Stellvertr. Klinikleiter der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, LMU Klinikum München
Barbara Schmitt
Vorstandsmitglied des Landesverband Bayern der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen e. V. (ApK Bayern)
PD Dr. Florian Seemüller
Chefarzt der kbo-Lech-Mangfall-Klinik Garmisch-Partenkirchen und Peißenberg
Prof Dr. Tilman Steinert
Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie I, Universitätsklinikum Ulm
Hier ist der Link zur Veranstaltungsaufzeichnung: https://www.youtube.com/watch?v=5ifwWpvl00c